Nein! Ich will das nicht!
Geschichten zum Vorlesen und Drüberreden für die Prävention von sexuellem Missbrauch
Manuela Dirolf
Verlag an der Ruhr
Mühlheim an der Ruhr 2013, 80 Seiten, 14,95 Euro
Eine Kriminalpolizistin schreibt sechs Geschichten für Kinder ab 8 Jahren zum Thema „sexueller Missbrauch“. Kann das aus Sicht einer Fachstelle zur Prävention gutgehen? JEIN.
Sprachlich sind die Geschichten nicht immer schön formuliert, die Leser*innen merken schnell, dass hier jemand zwar mit Engagement geschrieben hat, eigentlich aber keine Schriftstellerin ist. Da hätte ich mir ein besseres Lektorat des Verlags gewünscht. Auch manche Ungenauigkeiten wären dadurch vielleicht behoben worden. So schreibt Dirolf in ihrem Vorwort an das „Liebe(s) Kind“, dass sie ihren Beruf noch nicht verrät, „ich arbeite getarnt“ und fährt wenige Sätze später so fort, dass sie über Täter spricht, die sich durch ihr Verhalten „tarnen“. Solche Formulierungsfehler sind verwirrend und unnötig. Auch der Satz „Was macht denn ein sexueller Missbraucher oder eine sexuelle Missbraucherin?“ als Einleitung für die folgenden Geschichten ist nicht wirklich passend formuliert. Dirolf schwankt zwischen einer Sprache, die für Kinder angemessen sein soll und ihrer eigenen Erwachsenensprache. „Ich möchte … dir damit aufzeigen, wie man sich als Kind geeignet gegen sexuellen Missbrauch … ganz toll wehren kann“, ist dafür ein Beispiel.
In den Geschichten kommen Mädchen* und Jungen* zwischen 5 und ca. 13 Jahren als Betroffene sexueller Gewalt vor. Die Täter sind alles Männer, zwischen etwa 15 und 60 Jahren. Fremde Personen, aber auch ein Cousin, verhalten sich als Grabscher im Schwimmbad, als Spanner und Exhibitionist auf dem Spielplatz, als Internettäter bzw. im realen Leben sexuell missbrauchend oder grenzverletzend. Ein Fall stellt sich als Missverständnis heraus, der Opa hat den Jungen abgeholt, ohne der Mutter vorher Bescheid zu sagen.
Ängste und Schuldgefühle von Kindern werden insgesamt realistisch dargestellt, Eltern (Mütter und Väter) verhalten sich immer positiv und unterstützend. Die Polizei wird, außer im Fall des sexuellen Missbrauchs durch den Cousin, immer einbezogen und erweist sich in allen Fällen sehr unkompliziert als „Freund und Helfer“. Aus der Praxis ist bekannt, dass es da durchaus auch problematische Konstellationen für Betroffene geben kann.
Abschließend gibt Dirolf Tipps für „deinen Schutz“. Bedauerlicherweise beziehen sich alle Tipps auf Übergriffe durch Fremdtäter, die, wie wir alle wissen, nur zu einem geringen Teil die Verantwortlichen für sexuellen Missbrauch sind. Viel häufiger sind Fälle in der Familie und im sozialen Nahraum von Kindern und Jugendlichen.
Die Illustrationen von Julia Flasche sind grundsätzlich schön gemacht, allerdings zeigen sie häufig Bilder, die ängstigen (sollen?). So geht Prävention eigentlich nicht, das wissen Fachleute seid längerem. Schon das Titelbild wäre passender zu wählen gewesen. Auch das Bild auf dem Spielplatz (S. 16) und das Bild mit dem Mädchen* und dem Teddybären in der Ecke (S. 21) bilden unnötige Stereotypen ab. Ansonsten aber: ansprechend bebildert.
Fazit: Nicht grottenschlecht, aber auch nicht wirklich gut gemacht. Für das empfohlene Alter sind die Geschichten als Ausgangspunkt zum Drüberreden geeignet, so wie es auch im Titel beschrieben ist. Eltern, die wenig Wissen zu sexuellem Missbrauch haben, werden allerdings bedauerlicherweise in Stereotypen (Fremdtäter, mit niemandem mitgehen, Tür nicht aufmachen …) bestätigt.
Christine Rudolf-Jilg (AMYNA)
In dem Buch sind 6 Kurzgeschichten, in denen Situationen beschrieben werden, in denen Kinder sexuellem Missbrauch ausgesetzt sind.
Themen der verschiedenen Geschichten:
- ein Übergriff auf einen Jungen* im Schwimmbad,
- zwei Mädchen*, die einem Exhibitionisten begegnen,
- ein Mädchen*, das mit Meerschweinchen gelockt wird und mit einem vermeintlichen Bekannten mitgeht,
- ein Junge*, der Zuhause nicht Bescheid gibt und mit dem Opa einfach verschwindet,
- ein Mädchen*, das von seinem Cousin missbraucht wird
- und ein Mädchen*, das einer Internetbekanntschaft ein Nacktbild von sich schickt.
Die Autorin arbeitet mit einer sehr einfachen, verständlichen und kindgerechten Sprache. Auch die Illustrationen in dem Buch sind kindgerecht und verdeutlichen die Situationen.
Was teilweise irritiert, sind jedoch die rotgeschrieben Textstellen, da diese kein Schema aufweisen, was sie verdeutlichen wollen. Ein sinnvoller Aspekt ist, dass in dem Buch auf die Bedeutung von schlechten Geheimnissen eingegangen wird, um den Kindern zu vermitteln, es gibt Dinge, die sollten sie ihren Vertrauenspersonen erzählen. Es wird jedoch nicht genauer definiert, wie man schlechte und gute Geheimnisse differenziert. Die einzelnen Geschichten befassen sich mit den unterschiedlichsten Fällen, wie einem Kind ein Missbrauch geschehen kann, jedoch wird dabei das Augenmerk zu sehr auf Fremdtäter gelegt und nur ein Beispiel von sechs befasst sich mit dem Missbrauch innerhalb einer Familie. Außerdem entsteht der Eindruck, dass die Täter alle männlich sind, da keine einzige Frau in den Beispielen auftaucht. Das führt dazu, dass sich die Klischees halten, es gibt unglaublich viele böse fremde Männer, die Kinder missbrauchen. Dies wird auf der im Buch empfohlenen Internetseite zwar wieder relativiert, doch ist die Frage, wie viele Eltern sich diesen Link ansehen, nach dem Lesen des Buches. In dem Infoblatt wird gut erklärt, wie man sein eigenes Kind schützen kann, jedoch wird nicht darauf eingegangen, wie sich Eltern im Falle eines Missbrauches ihres Kindes verhalten sollten. Das Buch sollte, wie auch empfohlen, unbedingt mit Eltern oder Fachkräften gelesen werden, da in jeder Geschichte Fragen auftauchen können, die den Kindern erklärt werden müssen. Das Buch kann dabei helfen, Kinder für gefährliche Situationen zu sensibilisieren. Es stellt dar, dass es nicht so schlimm ist, Erlebnisse dieser Art weiter zu erzählen und sich jemanden anzuvertrauen. Kinder können dabei lernen, das sie sich bei unangenehmen Ereignissen durchaus zur Wehr setzten dürfen. Die Eltern können ebenso von dem Bilderbuch profitieren, da ihnen verdeutlicht wird, wie wichtig es ist, ihr Kind ernst zunehmen und ihm zuzuhören.
Jedoch beleuchtet das Buch den Sachverhalt zu einseitig und bestätigt mehr die allgemeinen Ängste von Eltern und Kindern, als wirkliche Aufklärung zu betreiben.
Hannah Geyer (Praktikantin AMYNA)