Nein! Ich will das nicht!

Geschichten zum Vorlesen und Drüberreden für die Prävention von sexuellem Missbrauch

Manuela Dirolf

Verlag an der Ruhr 2013

80 Seiten, ISBN 978-3834624376

 

Eine Kriminalpolizistin schreibt sechs Geschichten für Kinder ab 8 Jahren zum Thema „sexueller Missbrauch“. Kann das aus Sicht einer Fachstelle zur Prävention gutgehen? JEIN.

Sprachlich sind die Geschichten nicht immer schön formuliert, die Leser*innen merken schnell, dass hier jemand zwar mit Engagement geschrieben hat, eigentlich aber keine Schriftstellerin ist. Da hätte ich mir ein besseres Lektorat des Verlags gewünscht. Auch manche Ungenauigkeiten wären dadurch vielleicht behoben worden. So schreibt Dirolf in ihrem Vorwort an das „Liebe(s) Kind“, dass sie ihren Beruf noch nicht verrät, „ich arbeite getarnt“ und fährt wenige Sätze später so fort, dass sie über Täter spricht, die sich durch ihr Verhalten „tarnen“. Solche Formulierungsfehler sind verwirrend und unnötig. Auch der Satz „Was macht denn ein sexueller Missbraucher oder eine sexuelle Missbraucherin?“ als Einleitung für die folgenden Geschichten ist nicht wirklich passend formuliert. Dirolf schwankt zwischen einer Sprache, die für Kinder angemessen sein soll und ihrer eigenen Erwachsenensprache. „Ich möchte … dir damit aufzeigen, wie man sich als Kind geeignet gegen sexuellen Missbrauch … ganz toll wehren kann“, ist dafür ein Beispiel.

In den Geschichten kommen Mädchen* und Jungen* zwischen 5 und ca. 13 Jahren als Betroffene sexueller Gewalt vor. Die Täter sind alles Männer, zwischen etwa 15 und 60 Jahren. Fremde Personen, aber auch ein Cousin, verhalten sich als Grabscher im Schwimmbad, als Spanner und Exhibitionist auf dem Spielplatz, als Internettäter bzw. im realen Leben sexuell missbrauchend oder grenzverletzend. Ein Fall stellt sich als Missverständnis heraus, der Opa hat den Jungen abgeholt, ohne der Mutter vorher Bescheid zu sagen.

Ängste und Schuldgefühle von Kindern werden insgesamt realistisch dargestellt, Eltern (Mütter und Väter) verhalten sich immer positiv und unterstützend. Die Polizei wird, außer im Fall des sexuellen Missbrauchs durch den Cousin, immer einbezogen und erweist sich in allen Fällen sehr unkompliziert als „Freund und Helfer“. Aus der Praxis ist bekannt, dass es da durchaus auch problematische Konstellationen für Betroffene geben kann.

Abschließend gibt Dirolf Tipps für „deinen Schutz“. Bedauerlicherweise beziehen sich alle Tipps auf Übergriffe durch Fremdtäter, die, wie wir alle wissen, nur zu einem geringen Teil die Verantwortlichen für sexuellen Missbrauch sind. Viel häufiger sind Fälle in der Familie und im sozialen Nahraum von Kindern und Jugendlichen.

Die Illustrationen von Julia Flasche sind grundsätzlich schön gemacht, allerdings zeigen sie häufig Bilder, die ängstigen (sollen?). So geht Prävention eigentlich nicht, das wissen Fachleute seid längerem. Schon das Titelbild wäre passender zu wählen gewesen. Auch das Bild auf dem Spielplatz (S. 16) und das Bild mit dem Mädchen* und dem Teddybären in der Ecke (S. 21) bilden unnötige Stereotypen ab. Ansonsten aber: ansprechend bebildert.

Fazit: Nicht grottenschlecht, aber auch nicht wirklich gut gemacht. Für das empfohlene Alter sind die Geschichten als Ausgangspunkt zum Drüberreden geeignet, so wie es auch im Titel beschrieben ist. Eltern, die wenig Wissen zu sexuellem Missbrauch haben, werden allerdings bedauerlicherweise in Stereotypen (Fremdtäter, mit niemandem mitgehen, Tür nicht aufmachen …) bestätigt.

Christine Rudolf-Jilg (AMYNA)

 


 

Die Geschichten sind meiner Meinung nach nicht kindgerecht geschrieben, eher für ältere Kinder ab Grundschulalter.

Es handelt sich jedoch in den meisten Geschichten um eine fremde Person als Täter*in. Die Geschichten erfüllen die klassischen Klischees, Fremde Person im Schwimmbad fasst Kind an, Mann lockt kleines Mädchen mit Meerschweinchen zu sich nach Hause… Aber die meisten Missbräuche werden nachweislich von bekannten, familiären Personen begangen.

In der zweiten Geschichte vom „Mann, der gar nicht Pipi musste“, finde ich jedoch gut, dass am Ende nochmal in Rot geschrieben steht „Schlechte Geheimnisse muss man weitererzählen“. Es wird dadurch nochmal betont, wie wichtig es ist, den Kindern zu signalisieren, dass es Ansprechpersonen gibt, denen sie sich anvertrauen können. Und es muss nochmal betont werden, dass es nicht nur die Polizist*innen sind, die helfen, sondern auch Eltern oder Fachkräfte.

Selina Bartenschlager

 

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