Ich werde es sagen
Geschichte einer missbrauchten Kindheit
Jensen, Kristian Ditlev
Klett-Cotta 2004
ISBN 3-608-93644-0
Kristian Jensens Buch ist kein Fachbuch über den sexuellen Missbrauch von Kindern. Jensen verarbeitet in diesem Buch den selbst erlebten, jahrelangen Missbrauch durch einen Pädosexuellen aus dem sozialen Umfeld der Familie.
Vom ersten Kennenlernen, zu ersten (noch nicht sexuellen) Übergriffen bis hin zum schweren Missbrauch, der Aufdeckung durch ihn gegenüber den Eltern und dem Ende des Missbrauchs, sowie der Anzeige bei der Polizei und den resultierenden Folgen werden jedoch typische Stationen eines Missbrauchs geschildert.
Jensen beschreibt nicht nur die äußeren Fakten, sondern macht das Erleben eines Kindes vor, während und nach einem Missbrauch transparent.
Wer sollte dieses Buch lesen?
Für Fachleute, die sich tagtäglich mit der Prävention bzw. Intervention von sexueller Gewalt beschäftigen, bringt das Buch keine neuen Fakten, jedoch ein Gefühl für die Innenansicht der betroffenen Kinder. Einige Passagen sind sicherlich sinnvoll in der Fortbildungsarbeit mit MultiplikatorInnen einzusetzen.
Betroffene finden sich vermutlich in den einzelnen Stationen des Missbrauchs mit ihren Gefühlen wieder und werden vielleicht von den Überlegungen zur „Schuldfrage“, die Jensen für sich klären muss, auch für sich selbst profitieren.
Tragisch ist bei Jensen, dass seine Eltern ihm zwar sofort und ohne Zögern glaubten und den Missbrauch beendeten, sich aber beide aus unterschiedlichen Gründen nicht in der Lage sahen, ihn in der Zeit nach dem Missbrauch zu stützen und bei der Aufarbeitung zu begleiten. Jensen schrieb dieses Buch daher u.a. auch für die Eltern betroffener Kinder, mit dem Wunsch, dass diese sich besser in das Erleben ihres Kindes einfühlen könnten. Inwieweit Eltern dazu allein nach der Lektüre dieses Buches emotional in der Lage sind bzw. inwieweit sie trotzdem professioneller Hilfe bedürfen, bleibt dahingestellt.
Fraglich ist, ob dieses Buch präventiv wirken kann, wie es wohl die Absicht von Jensen ist. Zwar werden Pädosexuelle, häufig verharmlosend Pädophile genannt, am Beispiel „Gustav“ mit einer Strategie beschrieben, Kinder möglichst gefahrlos für sich missbrauchen zu können. Wie exemplarisch dieses Verhalten auch sein mag, Gegenstrategien zu entwickeln, alleine aufgrund dieses Buches, wird wohl nicht gelingen. Hierzu bedarf es, wie Jensen richtig bemerkt, einer eindeutigen Grundhaltung aller Erwachsenen für den Schutz von Kindern in allen Bereichen unseres Lebens einzustehen.